Ein Besuch in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (K20) in Düsseldorf ist immer ein Erlebnis – wie auch die aktuelle Ausstellung „Chagall“. Nicht nur wegen der beeindruckenden Zusammenstellung von rund 100 Gemälden und Papierarbeiten des Künstlers, sondern auch wegen der einfachen, aber gelungenen Integration des Internets: Ein Audioguide, gesprochen von Schauspieler Aaron Altaras und über das eigene Smartphone abrufbar, hat mir dabei geholfen, auch das Kind zu einem Ausstellungsbesuch zu animieren.
Inhalt
Marc Chagall: Leben und künstlerischer Werdegang
Marc Chagall wurde 1887 in Witebsk, im heutigen Belarus, geboren. Als ältestes von neun Kindern einer jüdischen Familie wuchs er in einer von Traditionen geprägten Umgebung auf. Sein künstlerisches Talent führte ihn nach Sankt Petersburg und später nach Paris, wo er sich in der Künstlerkolonie La Ruche niederließ. Dort kam er mit avantgardistischen Strömungen wie dem Kubismus in Kontakt, entwickelte jedoch einen eigenen, unverwechselbaren Stil, der folkloristische Elemente, jüdische Symbolik und traumhafte Szenarien miteinander verband. Chagalls Werke sind geprägt von leuchtenden Farben, schwebenden Figuren und einer tiefen Emotionalität.
In seinen Anfangsjahren arbeitete Chagall zunächst als Kunststudent und Retuscheur, etwa für Fotostudios in Sankt Petersburg. Seine Familie war arm, und die Unterstützung war begrenzt. Schon früh war klar, dass er vom Malen leben wollte – doch bis zu ersten Erfolgen war es ein langer Weg.
Als Chagall 1911 nach Paris zog, lebte er in der Künstlerkolonie „La Ruche“ („Der Bienenstock“) mit anderen aufstrebenden Künstlern. Dort entstanden viele seiner bekanntesten frühen Werke. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch kleinere Verkäufe, Unterstützung von Mäzenen und gelegentliche Illustrationsaufträge. Einer seiner wichtigsten Förderer war der französische Kunsthändler Ambroise Vollard, der ihm später auch größere Aufträge vermittelte.
Zwischen 1914 und 1922 lebte Chagall in Russland. Während der Revolution übernahm er 1917 eine Funktion als Kommissar für Kunst in seiner Heimatstadt Witebsk und gründete dort eine Kunstschule. Dieses Amt gab ihm kurzzeitig ein staatliches Einkommen – doch er geriet bald in Konflikt mit den radikaleren Konstruktivisten und verließ die Schule wieder. Danach lebte er wieder vom Verkauf seiner Kunst.
Nach seiner Rückkehr nach Paris in den 1920ern wurde Chagall zunehmend international bekannt. Er arbeitete nicht nur als Maler, sondern auch als:
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Buchillustrator (z. B. für Gogols „Die toten Seelen“ oder die Bibel),
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Bühnenbildner (für die Ballets Russes oder später die Metropolitan Opera in New York),
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Fenster- und Wandgestalter (z. B. für Kirchen, Synagogen, die UNO (Peace Window) und die Pariser Oper).
Diese Aufträge sicherten ihm ein solides Einkommen, besonders in späteren Jahren. Während des Zweiten Weltkriegs lebte er im Exil in den USA, wo er durch Galerien, Sammler und Förderer finanziell gut unterstützt wurde.
Die Ausstellung im K20: Einblicke in Chagalls frühe Werke
Die Ausstellung im K20 konzentriert sich auf die frühe Schaffensphase von Marc Chagall und präsentiert Werke, die in den Jahren 1908-1920 entstanden sind. Diese Zeit war für Chagall von intensiver künstlerischer Entwicklung geprägt, in der er seinen einzigartigen Stil formte. Die ausgewählten Werke zeigen seine Auseinandersetzung mit Themen wie Identität, Liebe, Religion und Heimat.
Wieder vereint: „Selbstbildnis mit Pinsel“ & „Meine Braut mit den schwarzen Handschuhen“
Eines der ersten Werke der Ausstellung ist das „Selbstbildnis mit Pinsel“ von 1909. Hier präsentiert sich der junge Chagall als selbstbewusster Künstler. Mit Pinsel und Palette in den Händen und einem durchdringenden Blick begegnet er dem Betrachter. Die Komposition erinnert an klassische Porträts, doch die Farbgebung und der Ausdruck verleihen dem Bild eine moderne Note. Es ist ein Statement: „Ich bin Maler.“ Gleich links daneben, aus dem selben Jahr hängt das Porträt seiner späteren Ehefrau Bella Rosenfeld. „Meine Braut mit den schwarzen Handschuhen“ zeigt Bella in einer selbstbewussten Pose, die Hände in die Hüften gestemmt. Die schwarzen Handschuhe und ihr durchdringender Blick verleihen dem Bild eine besondere Intensität. Chagall lernte Bella 1909 kennen, und sie wurde nicht nur seine Muse, sondern auch eine zentrale Figur in vielen seiner Werke.

Für die Ausstellung „Chagall“ im K20 in Düsseldorf wieder vereint. Sein Selbstportrait „Künstler mit Pinsel“ und das Bild seiner Frau Bella Rosenfeld „Meine Frau mit den Schwarzen Handschuhen“ Foto: Autor
Beide Werke, sonst in getrenntem Besitz, sind für die Chagall Ausstellung in Düsseldorf wieder vereint.
Soldat, Kreuz, Glas: Chagalls Ikonografie der Emotion
Weitere Werke der Schau geben tiefe Einblicke in Chagalls ikonografisches Denken. Der Soldat trinkt (1911/12) zeigt, wie Alltagsszenen in symbolische Chiffren kippen – ein Soldat, ein Teeglas, ein Moment, der zwischen den Zeiten schwebt. Golgatha (1912) wiederum ist ein frühes religiöses Meisterwerk: eine Kreuzigung, die christliche und jüdische Bildwelten überlagert, aufgeladen mit persönlicher Erinnerung, Verfolgungserfahrung und spiritueller Vision. Doppelportrait mit Weinglas (1917/18) schließlich feiert die Liebe: Chagall auf den Schultern seiner Bella, über die Dächer Witebsks hinweg, mit einem Glas Wein in der Hand – ein Bild, das ebenso schwerelos wie schwerwiegend ist.

In „Golgatha“ verarbeitet Chagall religiöse Themen und persönliche Erfahrungen. Das Gemälde zeigt die Kreuzigungsszene, jedoch nicht in traditioneller Darstellung. Stattdessen kombiniert Chagall christliche und jüdische Symbole, um universelle Themen wie Leid und Erlösung zu thematisieren. Foto: Autor
Fazit: Ein lohnenswerter Besuch für alle Generationen
Die Ausstellung im K20 bietet einen tiefen Einblick in die frühe Werke von Marc Chagall und seine künstlerische Entwicklung. Die Kombination aus beeindruckenden Gemälden, informativem Audioguide und moderner Technik macht den Besuch zu einem Erlebnis für Jung und Alt. Besonders die Möglichkeit, das eigene Smartphone als Begleiter durch die Ausstellung zu nutzen, erleichtert den Zugang zur Kunst und fördert das Interesse auch bei jüngeren Besuchern.
Besucherinformationen
- Ort: K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf
- Dauer der Ausstellung: Die Ausstellung „Chagall“ ist noch bis zum 10. August 2025 zu sehen.
- Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen von 11:00 bis 18:00 Uhr
- Eintrittspreise: 16,00 € für Erwachsene; Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt.

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