Habe gerade von dem „Shitstorm“ inklusive übelster Beleidigungen gelesen, den der jüngste Beitrag von Julia Schramm in der „Flaschenpost„, dem Nachrichtenblatt der Piratenpartei ausgelöst haben muss. Kurz vorweg: Ich bin weder in der Piratenpartei noch habe ich mich in der Vergangenheit übermäßig viel mit Julia Schramm beschäftigt. Ich habe nur soviel verstanden – zumindest glaube ich verstanden zu haben – dass Frau Schramm eine recht umtriebige Aktivistin ist, wenn es darum geht für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der Datenschutz nicht mehr notwendig ist. Einfach weil die Gesellschaft so lieb und nett geworden ist, dass der Besitz von Daten über andere nicht mehr zum eigenen Vorteil verwendet wird.
Nun hat sie also in der Flaschenpost einen Beitrag geschrieben, der wieder die Datenschutzbefürworter (nicht nur in der Piratenpartei) auf den Plan gerufen hat. Wieso die allerdings dermaßen aggressiv gegen diesen doch recht harmlosen Beitrag vorgehen, ist mir unbegreiflich. Zum Einen steht in dem Artikel ja nun nicht wirklich viel weltbewegend neues drin. Die erste Hälfte beschreibt den Ist-Zustand unserer heutigen Gesellschaft in Bezug auf den Umgang mit unseren persönlichen Daten.
Und in der zweiten Hälfte? Da reflektiert Julia Schramm noch einmal die heutigen Verhältnisse, erkennt, dass die Welt schlecht ist. Dabei bemerkt sie doch vollkommen korrekt, dass der Kampf für mehr Datenschutz uns offenbar mehr und mehr aus der Hand gleitet. Dass es trotz all unserer Bemühungen kaum noch gelingen wird, die Kontrolle über unsere Daten zurück zu erobern.
Diese Sphäre (Privatssphäre, anm. d. Autors) gilt es im digitalen 21. Jahrhundert zu schützen. Datenschutz kann das nicht mehr leisten, ja konnte es noch nie leisten, galt doch für die marginalisierten und armen Teile der Bevökerung niemals der gleiche Datenschutz wie für die priviligierten. Die Daten(schutz)skandale offenbaren somit vor allem eins: Die realen gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Überhaupt spiegelt das Web die unbequemen Wahrheiten über das Bestehende wider.
Gut, hier wird sie etwas zu simplifizierend. Sie erweckt sie den Eindruck, je reicher (priviligierter) ein Mensch sei, desto mehr Datenschutz könne er heute noch genießen. Ob sich in Punkto Datenschutz die Welt aber so einfach in Arm und Reich aufteilen lässt, wage ich zu bezweifeln. Auch der Reiche hat eine Steuer-ID, oftmals steht er sogar noch viel mehr in der Öffentlichkeit und muss sich so manche Schmuddelstory in der Boulevardpresse gefallen lassen. Er hat also nicht selten einen viel höheren Aufwand, seine Privatssphäre zu schützen. So einfach ist die Welt dann doch nicht. Aber ich verstehe den Grundtenor: „Die da oben“ haben die Kontrolle über „die da unten“.
Aber zurück zum Text. Da Datenschutz die Privatssphäre nicht mehr schützen könne, muss also etwas anderes her. Aber was? Julia Schramm schreibt:
Weiter den Datenschutz als stumpfes Schwert gegen die unfairen gesellschaftlichen Verhältnisse hochhalten und die digitale Revolution gewaltsam entschleunigen, oder die Beschleunigung der letzten Jahre als Anlass nehmen entscheidende Reformen auf den Weg zu bringen. Krankenkasse für alle, ein Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe und eine Gesellschaft in der Fehler verziehen werden, wären die zu artikulierenden Ziele.
Oder einfach gesagt, zumindest übersetze ich diesen Absatz so: In einer Welt, in der für alle gesorgt ist und in der wir offen und vorurteilsfrei Miteinander umgehen, wird Datenschutz überflüssig.
Ja, das mag schon sein. Nur diese heile Welt existiert nicht, existierte nie und wird aller traurigen Wahrscheinlichkeit nach auch nie existieren.
Bevor wir uns einer solchen Welt nähern, müssten wir nicht nur unser gesamtes auf Gewinnmaximierung und Wachstum orientiertes globales Wirtschaftssystem auf den Kopf stellen und nebenbei auch noch die Menschheit von so bösen Dingen wie Neid und Mißgunst, Gier und und Egoismus befreien. Wenn wir dann noch für das Ende des Hungers, Armut und mehr Gerechtigkeit sorgen, ist die Welt perfekt.
Ich bewundere Julia Schramm für diese edlen Ziele. Sie ist eben eine überzeugte Idealistin, vielleicht etwas naiv. Aber es ist nicht falsch, für seine Ideale einzustehen. Sie dafür – wie geschehen – auf so niederträchtige Weise anzugehen, halte ich für vollkommen daneben. Aber das bestätigt nur wieder meinen Pessimismus, was die Schaffung einer solchen besseren Welt angeht. Wenn man nichtmal mehr ungestraft über seine Ideale reden darf, ist es bis zu einer heilen Welt noch ein langer Weg.
Ich halte den Kampf für mehr Datenschutz da doch etwas aussichtsreicher.
Nachtrag: Es kann natürlich auch angehen, dass sie ihrer Zeit einfach nur ein wenig voraus ist…