
Illustration: Sora AI
Immer dann, wenn Regierungen ihren Bürgern mehr Überwachung und Kontrolle schmackhaft machen wollen, rechtfertigen sie es mit der Kriminalitätsbekämpfung – Terror, Kinderpornografie etc. Wer möchte dem schon widersprechen? Doch das sind Nebelkerzen: Es geht um mehr Kontrolle, mehr Überwachung. Damit einher gehen weniger Freiheit, weniger Demokratie. Das wird besonders blöd, wenn die Falschen die Macht übernehmen.
Inhalt
Von der Vorratsdatenspeicherung zu Palantir
Die geplante Einführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) war der erste Versuch, Bürger im Internet anlasslos zu überwachen. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof erklärten sie für verfassungs- bzw. unionsrechtswidrig – sie wurde in Deutschland nie umgesetzt und ist nicht in Kraft.[1]
Doch was jetzt kommt, dagegen war die Vorratsdatenspeicherung ein Kindergeburtstag.
Bühne frei für „Palantir“, eine Überwachungssoftware, die es ermöglicht Daten aus unterschiedlichsten Quellen blitzschnell zu kombinieren und aus jedem einzelnen Bürger ein umfassendes Persönlichkeitsprofil mit allen Informationen bin in privateste Lebensbereiche zu erstellen. Grundsätzlich ist Palantir in der Lage alle Datenspuren die wir irgendwo fragmentiert hinterlassen, zu einem Gesamtbild zusammen zu stellen.
Der feuchte Traum aller Antidemokraten und Faschisten: Die totale Kontrolle.
Das Betrifft uns nicht? Weil wir leben in einer Demokratie?
Noch.
Wie schnell sich das Blatt wenden kann, sehen wir aktuell in der von Trump geführten USA, in der Recht und Gesetz nur noch Beiwerk sind und die bei der Durchsetzung politischer Ziele ohnehin immer häufiger ignoriert werden.
Jetzt gibt es die Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz von Palantir in Bayern, an der neben der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) auch der Chaos Computer Club (CCC) beteiligt ist.
Das Ziel der Verfassungsbeschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sind klarere Grenzen für den Einsatz von Data-Mining-Software, die Daten über Menschen heimlich auswertet. Nach der aktuellen bayerischen Regelung darf die Polizei die Software nicht nur bei besonders schweren Straftaten benutzen, sondern auch bevor eine Gefahr überhaupt besteht. Eine wirksame Kontrolle gibt es nicht. Auch ein Schutz vor Fehlern der Software und vor Diskriminierung ist nicht gewährleistet. — Chaos Computer Club
Project 2025
Project 2025 ist keine Verschwörungstheorie, sondern ein umfassender Regierungsumbauplan, den konservative US-Gruppierungen unter Federführung der Heritage Foundation durchführen. Das Projekt strebt eine autoritäre Umgestaltung der Exekutive an – mit dem Präsidenten als nahezu unkontrollierter Machtinstanz. Es wird von zahlreichen rechtskonservativen Thinktanks getragen und gilt als Fahrplan zur Demontage liberaler Grundpfeiler der US-Demokratie.
Die Heritage Foundation versucht nachweislich transatlantische Verbindungen zu politischen Akteuren in Deutschland herzustellen – insbesondere über ideologische und strategische Netzwerke. Dabei geht es um Austausch mit CDU-nahen Kreisen über Ansätze wie Staatsumbau, Neuordnung von EU-Kompetenzen und die Aushöhlung liberaler Institutionen.
Und wie passt Palantir nun dazu?
Ganz einfach: Project 2025 ist der Plan, Palantir das Werkzeug, dass autoritären Staatenlenkern Freudentränen in die Augen treibt.
Was ist Palantir?
Palantir Technologies, ein US‑amerikanisches Unternehmen, wurde 2003/2004 mit Kapital der CIA‑nahen Risikokapitalgesellschaft In‑Q‑Tel gegründet[2]. Ziel war die Entwicklung von Datenanalyse‑Tools zur Terrorbekämpfung nach dem 11. September[3]. Palantir bietet zwei Kernprodukte: Gotham (für Behörden) und Foundry (für Unternehmen). Gotham, unter anderem als „HessenData“ oder „DAR“ in Deutschland im Einsatz, verknüpft Datenbanken, Mobilfunk‑ und Social‑Media‑Daten zur Mustererkennung in Echtzeit[4].
Project 2025 ist der Plan, Palantir das Werkzeug
Peter Thiel – der Strippenzieher hinter Palantir
Mitgründer ist der deutschstämmige Tech‑Milliardär Peter Thiel, auch Mitgründer von PayPal. Er vertritt eine technokratisch-libertäre Ideologie, ist erklärter Gegner des Wohlfahrtsstaats und schrieb: „I no longer believe that freedom and democracy are compatible.“[5]
Thiel unterstützte ultrakonservative Politiker wie J.D. Vance und Donald Trump[6]. Er besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft und soll persönliche Kontakte in deutschen Sicherheitskreisen unterhalten haben; die Einführung von Palantir in Hessen und NRW verlief bemerkenswert geräuschlos[7]. Mit Palantir wird damit auch eine technokratische Weltanschauung nach Deutschland exportiert, die auf Kontrolle, Vorhersehbarkeit und Macht statt Demokratie zielt.
Verbindungen zwischen Peter Thiel und CDU Fraktionschef Jens Spahn
Auch dem CDU Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn, dem während der Corona-Pandemie in seiner Funktion als Gesundheitsminister und dem so genannten „Masken-Deal“ Vetternwirtschaft und Steuerverschwendung in Milliardenhöhe vorgeworfen werden, werden enge Verbindungen zum Thiel Netzwerk nachgesagt. So trat Peter Thiel bereits 2016 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „BMF im Dialog“ im Bundesfinanzministerium auf — mit Jens Spahn als Staatssekretär zusammen.
Beide waren 2018 zu Gast auf einer prominenten Feier in Wien, geladen zum 40. Geburtstag von Investor Christian Angermayer. Dort traf Spahn unter anderem den Tech-Milliardär Thiel in einem illustren Kreis weiterer politischer Akteure. Zu den Gästen zählten der damalige österreichische Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sowie ein russischer Diplomat namens Daniil Bisslinger.
Die Zeitung die WELT und das US Magazin „Insider“ berichteten damals, wie Bisslinger auf dieser Party versuchte, Thiel zu einem Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin zu bewegen. Bisslinger ist nicht irgendwer. So berichtete der Standard, dass SPD Chef Lars Klingbeil vom Verfassungsschutz angehalten wurde, Abstand von Bisslinger zu nehmen. Thiel ging damals allerdings nicht auf die Einladung nach Moskau ein.
Obwohl keine institutionelle Kooperation erkennbar ist, zeigen zivilgesellschaftliche Beiträge Parallelen im politischen Personalstil und in Machtverständnissen. So betonen sie beide ein stark technokratisches Führungsverständnis, bei dem Entscheidungsweg und Gestaltung Vorrang vor demokratischer Debatte haben
Wo ist Palantir bereits im Einsatz?
In den USA wird Gotham von Behörden wie FBI, CIA, US‑Militär sowie lokalen Polizeien (z. B. LAPD, NYPD) genutzt. Kritik kam wegen algorithmischer Verzerrung, Racial Profiling und Grundrechtseingriffen, in Deutschland befürchtet man, die Daten könnten auch in die USA abfließen[8]. Die Funktionen der Software sind umfangreich, wo die Daten landen eher nebulös.[9].
In Deutschland setzen Hessen („HessenData“) seit 2017 und NRW („DAR“) seit etwa 2020/22 Palantir‑Software ein. Aber auch in Bayern und NRW ist Palantir bereits im Einsatz.[10],[11].
Die Kritik: Gefahr für die Demokratie?
- Intransparente Algorithmen: Palantir ist proprietär – ohne öffentliche Nachvollziehbarkeit oder demokratische Kontrolle[12].
- Massive Datenfusion: Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen ohne klare Zweckbindung – kritisch nach Datenschutzgrundsätzen.
- Präventivüberwachung: Bürger können auch ohne Verdacht in den Fokus geraten – unvereinbar mit dem Unschuldsprinzip.
- Mangelnde Kontrolle: Einführung ohne breite Debatte; viele Vertragsdetails sind geheim.
Parallelen zu China – ein dystopischer Ausblick?
In China existieren bereits umfassende Überwachungsmaßnahmen wie Gesichtserkennung und Social‑Credit. Deutschland ist kein autoritärer Staat, aber die technische Infrastruktur von Palantir ermöglicht ähnliche Kontrolle. Installierte Systeme sind schwer rückgängig zu machen — Missbrauch ist denkbar bei Machtwechseln oder Krisen.
Verfassungsrechtliche Bewertung
Der Einsatz berührt zentrale Grundrechte:
- Art. 1 GG: Menschenwürde darf nicht zur staatsanalytischen Ressource werden.
- Art. 2 GG: Informationelle Selbstbestimmung muss gewahrt bleiben.
- Art. 10 GG: Fernmeldegeheimnis darf nicht unterwandert werden.
- Art. 20 GG: Demokratieprinzip erfordert Transparenz staatlicher Maßnahmen[13].
Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2023 entschieden, dass die Regelung zu „HessenData“ (HSOG § 25a) verfassungswidrig ist — die Vorschriften enthalten keine ausreichende Eingriffsschwelle und müssen bis spätestens September 2023 nachgebessert werden. Auch in NRW wird der Einsatz von „DAR“ wegen fehlender Rechtsgrundlage von der Datenschutzaufsicht als problematisch eingeschätzt.
Mehr Sicherheit um jeden Preis?
Wollen wir ein System errichten, das theoretisch jeden Schritt potenzieller Bürger*innen überwacht — im Namen vermeintlicher Sicherheit? Palantir ist kein neutraler Helfer, sondern ein mächtiges Kontrollinstrument — ein digitales Panoptikum.
Sicherheit ist wichtig — aber nicht auf Kosten unserer Grundrechte. Wer glaubt, Freiheit durch Kontrolle gewinnen zu können, riskiert beides. Der Einsatz von Palantir in Deutschland muss unterbunden werden.
Fußnoten
-
- EuGH und BVerfG stoppten VDS – Tagesschau Quelle.↩︎
- In‑Q‑Tel als CIA‑Investor in Palantir – Wikipedia Quelle.↩︎
- Gründung von Palantir mit CIA‑Kapital – Wikipedia Quelle.↩︎
- Funktion und Einsatz von Gotham in DE – Heise Quelle.↩︎
- Thiels Weltanschauung – Business Insider (Zitat) Quelle.↩︎
- Thiels Unterstützung von Vance & Trump – The Guardian Quelle.↩︎
- Deutsche Kontakte und stille Einführung – t3n Quelle.↩︎
- Kritik am Einsatz, fließen Daten in die USA? – Tagesschau Quelle.↩︎
- Palantir – Technischer Hintergrund – Heise Quelle.↩︎
- Einsatz in Hessen & NRW bestätigt – Tagesschau Quelle.↩︎
- Einsatz auch in NRW – Heise Quelle.↩︎
- Black‑Box-Kritik – Netzpolitik Quelle.↩︎
- Grundrechte und Demokratieprinzip – Behörden Spiegel Quelle.↩︎