Gestern stieß ich auf Netflix auf die nicht mehr ganz frische Doku-Serie Bildschöne Welt, eine als „Netflix Original“ angepriesene Naturdokumentation des Cinematographen Abraham Joffe. Die Serie begleitet verschiedene Fotografen auf ihren Reisen rund um den Globus auf der Suche nach dem perfekten Foto. Für mich als Amateurfotograf ein „must see“. Doch so sehr mich die Bilder und die Arbeit der Fotografen an ihren unterschiedlichen Schauplätzen auch faszinierte, ein schaler Beigeschmack blieb: Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich die Serie als gut inszenierte Canon-Dauerwerbesendung.
Gute Fotos entstehen aus dem Augenblick. Viel Geduld, ein aufmerksames Auge, um dann – „klick“ – im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. Soviel zur Theorie. In Zeiten digitaler Fotografie und täglich millionenfach im Internet bereit gestellter Fotos auf unzähligen Plattformen wird die Luft auch für Profis immer dünner, das „perfekte Foto“ zu schießen. Wie soll man sich noch von der Masse unterscheiden?
Bildschöne Welt entführt den Betrachter auf eine Reise um den Globus. Profifotografen auf der Jagd nach dem perfekten Bild. Ob sich paarende Buckelwale in Tonga, das farbenfrohe Holi-Fest in Indien, Braunbären in Alaska oder Berggorillas in Uganda: Überall hier bieten sich perfekte Momente und Motive. Für einen entspannten Fernsehabend genau das richtige. Die Folgen sind jeweils nur rund 25 Minuten kurz. Also perfekt zum „Binge watching“ geeignet.
Allerdings… vielleicht hätte ich es früher merken sollen… spätestens nach der dritten Folge fiel mir auf, dass all diese Top-Fotografen stets mit einer gut in Szene gesetzten Canon Kamera im Anschlag ihr Werk verrichten. Natürlich das Top-Modell 1D X.
Nein, ich bin kein beleidigter Nikon Fan. Ich fotografiere selbst seit Jahren mit Canon. Und klar, so eine 1D X, das wär schon was. Aber, worum geht’s hier eigentlich? Spätestens als Naturfotograf Art Wolfe, in einem Fluss in Alaska hinter Lachs fischenden Braunbären herstapft und immer wieder die moderne Kameratechnik anpreist, mit der sich heutzutage Bilder schießen lassen, wie sie früher unmöglich gewesen wären, wird es deutlich: Wir befinden uns in einer gut gemachten Canon Dauerwerbesendung.
Gewiss, Wolfe nahm den Namen Canon nie in den Mund. Doch den Worten folgten gut inszenierte Szenen vom Fotografen im Flusslauf mit der 1D X im Anschlag. Die Bären schnappten nach dem Lachs und bei jedem Druck auf den Auslöser ratterten die bis zu 14 Bilder pro Sekunde, die das rund 6500 Euro teure Canon Flaggschiff produzieren kann, stakkatohaft in den Speicher der Kamera.
Na sieh mal einer an. Die Profis machen es also auch. Einfach so lange draufhalten, bis irgendwas dabei ist und sich ansonsten auf die Technik verlassen. Wenn dann aber noch platte Weisheiten wie „Als Fotograf suche ich immer nach einer neuen, ungewöhnlichen Perspektive“ ins Mikro gesprochen werden, weißt Du, hier erfährst Du nichts besonderes mehr.
Grundsätzlich ist es nicht verwerflich, sich für ein Projekt sponsern zu lassen. Hollywood macht das mit geschicktem Product Placement seit Jahren. Allerdings ist es schon etwas anderes, wenn ein Kamerahersteller selbst Produzent eines Filmes ist, und es Dir keiner sagt. Wer da nicht aufmerksam den Abspann im Blick hat, wird zumindest auf Netflix nicht auf die Dauerwerbung hingewiesen.
Stichwort „Branded Content“
Vielleicht hätte ich mich einfach vorher informieren sollen. „Tales by Light“ ist keine Netflix Produktion, auch wenn es die Markierung als „Netflix Original“ suggeriert, sondern entstand 2014 als Joint Venture zwischen National Geographic und Canon Australia als so genannter „Branded Content“. Die Erstausstrahlung erfolgte 2015 bei National Geographic, erst seit 2016 hat Netflix die Serie mit 12 Folgen in 2 Staffeln im Programm.
Ohne Frage, „Bildschöne Welt“ hält sein Versprechen und liefert wunderschöne Bilder. Nicht auch zuletzt durch die erstklassige Arbeit von Abraham Joffe, der stets eine Drohne mit im Gepäck hat und auch sonst weiß, die Fotografen und ihre Umgebung gut in Szene zu setzen.
Doch der Dokuserie fehlt der Tiefgang. Vieles wirkt zu inszeniert. Das wird besonders in Folge 6 deutlich, als Wolfe die so genannten Schlammmänner (Mudman) in Papua Neuginea fotografiert. Deren traditionelle Zeremonie scheint für das „perfekte Foto“ nachgestellt. Sie stehen im Kreis, während sich Wolfe in ihre Mitte legt und die Männer mit ihren imponierenden Masken von unten fotografiert. Geduldig warten sie, bis der Fotograf seine Bilder im Kasten hat.
Aber sind wir ehrlich, das Nachstellen einer Szene ist dann doch eher Modelfotografie als Dokumentation.
Auch die Fotosession von Angela und Jonathan Scott, die im ersten Teil der 2. Staffel in der Masai Mara in Kenia die Massai bei traditionellem Tanz fotografieren und anschließend mit Geländewagen und stets gezückter Canon samt 600mm Telezoom der L-Serie durch den Nationalpark fahren, wirkt nicht viel gehaltvoller als eine -zugegeben erstklassig ausgestattete- Urlaubsreise mit Touristenbespaßungsprogramm. Dazu die bahnbrechende Erkenntnis, dass all das nicht mehr möglich sein wird, falls die Bewohner der Mara sich nicht mit den Raubtieren arrangieren, die täglich ihr Vieh bedrohen. Ja, das ist ein Problem. Aber das kennt man alles schon.
Klar, es ist faszinierend mit anzusehen, wie der australische Unterwasser Fotograf Darren Jew ein 70 Jahre altes Flugzeug am Meeresboden für ein Foto in Szene setzt. Mehrere Minuten lang wird die Szene mit der Kamera belichtet, während er mit einer starken Taschenlampe das Wrack Stück für Stück ausleuchtet. Heraus kommt dabei ein phantastisches Foto, dass das von Korallen besetzte Flugzeugwrack in gespenstischem Licht erscheinen lässt.
Gut, vielleicht bin ich zu streng mit der Serie. Vielleicht wäre ich aber viel versöhnter, hätte Netflix von vornherein klar gemacht, was mir hier geboten wird.
Es geht in Bildschöne Welt nicht um die dokumentarische Begleitung von Profifotografen an phantastischen Schauplätzen der Erde. Es geht um die Inszenierung einer von Canon gesponserten Ausrüstung, mit der Profis möglichst tolle Ergebnisse für einen Film und das National Geographic Magazine hereinholen sollen.
Kann man machen, sollte man aber fairerweise auch gleich so sagen.
Hallo,
ich finde deine Kritik nicht passend,
In dem Film geht es nicht um das Kamera-Equipment sondern um den Weg zum perfekten Bild mit einer Moral dahinter, die erklärt wird.
Wirklich eine gelungene Serie.
Ich stimme dir zu, dass in einzelnen Folgen,
die Fotografen keine Dokumentationsfotografie erreichen, aber dennoch sind klasse Bilder zu sehen.