Das Internet wird von Falschinformationen regelrecht überschwemmt. Soziale Netzwerke wie X (ehemals Twitter), Threads oder Facebook belohnen Inhalte nicht für ihre Richtigkeit, sondern für ihre Reaktionen. Und die fallen besonders häufig bei Fake News aus – denn diese sind emotional, provokativ und oft bewusst empörend gestaltet. Wer sich ärgert, klickt, teilt oder kommentiert – und verstärkt damit ungewollt die Reichweite der Desinformation. Höchste Zeit, sich zu fragen: Müssen wir auf jede Provokation reagieren, oder wäre es nicht viel wirksamer, Trolle schlicht zu ignorieren?
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Die Psychologie hinter Fake News
Studien zeigen, dass Fake News auf Social Media deutlich schneller und weiter verbreitet werden als wahre Nachrichten. Eine Untersuchung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat bereits 2018 belegt, dass falsche Nachrichten auf Twitter rund 70 % häufiger geteilt werden als echte – und sich sechsmal schneller verbreiten. Die Ursache liegt in der Natur der Inhalte: Sie lösen stärkere emotionale Reaktionen aus und sind oft überraschender als Fakten.
Eine Studie der University of Southern California unterstreicht diesen Mechanismus: Nicht politische Überzeugung oder mangelnde Bildung führen zur Verbreitung von Desinformation – sondern vor allem digitale Gewohnheiten. Menschen teilen Fake News, weil sie sich daran gewöhnt haben, impulsiv auf Inhalte zu reagieren, die starke Emotionen hervorrufen – vor allem Empörung, Angst oder Wut.
Die Herkunft von „Don’t Feed the Trolls“
Der Ausdruck „Don’t Feed the Trolls“ stammt aus den frühen Tagen des Internets, insbesondere aus den Foren und Newsgroups der 1990er-Jahre wie Usenet. Schon damals traten sogenannte „Trolle“ auf – Nutzer:innen, die absichtlich provokante, beleidigende oder absurde Beiträge verfassten, um andere in Diskussionen zu verwickeln oder zu verärgern. Schnell entstand die Faustregel, dass man diesen Personen keine Aufmerksamkeit schenken sollte, da genau diese Reaktion ihr Ziel war. Der Satz wurde zu einem Mantra unter erfahrenen Internetnutzer:innen: Wer den Troll füttert – also auf ihn reagiert – hält ihn am Leben. Bis heute ist dieser Leitsatz relevant und aktueller denn je, da sich die Mechanismen der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie in sozialen Netzwerken nur weiter zugespitzt haben.
Die Strategie: „Flood the Zone with Shit“
Der zynische Begriff „Flood the Zone with Shit“ stammt von Steve Bannon, Ex-Chefstratege von Donald Trump. Die Methode dahinter ist ebenso simpel wie effektiv: Eine Vielzahl von Falschinformationen wird gleichzeitig in den digitalen Raum geworfen, sodass es kaum möglich ist, sie alle zu entkräften. Die Strategie zielt auf Überforderung ab – Journalist:innen, Faktenchecker und kritische Nutzer:innen kommen mit der Richtigstellung nicht mehr hinterher. Der Effekt: Wer schneller postet als andere prüfen können, bestimmt die Themenhoheit.
Flood the Zone with Shit: Wer schneller postet als andere prüfen können, bestimmt die Themenhoheit
Zudem verlagert sich die Diskussion dauerhaft auf Nebenschauplätze. Statt über Inhalte zu sprechen, reagiert die Öffentlichkeit auf Provokationen. Der diskursive Raum wird so gezielt vergiftet und von Desinformation überlagert. Genau das ist das Ziel.
Wenn Politiker zu Troll-Strategen werden
Nicht nur anonyme Trolle und Bots bedienen sich dieser Methode – auch Politiker:innen nutzen Social Media gezielt, um die Debatte zu kontrollieren. Allen voran Donald Trump, der mit täglichem Social-Media-Feuer den globalen Nachrichtenzyklus dominiert. Mittlerweile nutzt er auch die Reichweite der offiziellen Kanäle des Weißen Hauses für seine Gaga-Posts. Ob Trump als Papst oder muskulöser Jedi Ritter: Jeder neu und dank KI schnell generierte Schwachsinn beschäftigt Leser und Medien wieder für Tage. Man kann sich nur vorstellen, wie er und seine Entourage jedes Mal lachend am Boden liegen, wenn Journalisten und Experten weltweit genau darüber texten, analysieren und Talk-Shows fabrizieren.
Auch in Deutschland setzen Politiker wie etwa CSU Chef Markus Söder auf kalkulierte Provokationen in sozialen Netzwerken, einfach nur um permanent im Gespräch zu bleiben.
Wie auch Journalisten immer wieder in die Troll-Falle tappen
Das Prinzip ist stets dasselbe: Wer durch pointierte, teils absurde oder populistische Aussagen Empörung erzeugt, zieht die Aufmerksamkeit auf sich – selbst dann, wenn er nichts Substanzielles beizutragen hat. Leider fallen auch Journalist:innen regelmäßig auf diese Taktik herein. Anstatt wichtige Themen zu setzen, diskutieren sie tagelang über einzelne Tweets oder Posts. So diktiert nicht mehr die Presse den politischen Diskurs – sondern umgekehrt. Dadurch schwächt sie sich selbst und verliert ihre Kontrollfunktion.
Warum Reaktionen kontraproduktiv sind
Oft sind es Bot-Accounts mit nur einer handvoll Follower, die Fake News in die Welt setzen. Dafür sind es viele. Die Trolle werfen die Häppchen hin und warten nur darauf, dass reichweitenstarke User das Thema aufgreifen und teilen: Zack, Mission accomplished. Der Impuls, Falschbehauptungen sofort zu widersprechen oder sie öffentlich zu entlarven, ist verständlich – und oft sogar gut gemeint. Doch paradoxerweise verstärken solche Reaktionen häufig den ursprünglichen Schaden. Denn soziale Netzwerke bewerten Inhalte nicht nach ihrer Richtigkeit, sondern nach Interaktionen. Das bedeutet nicht, dass Aufklärungsportale wie etwa mimikama und viele andere aufhören sollten zu arbeiten. Im Gegenteil. Nur sollte eben der Auslöser, der Trollpost selbst, in Social Media keine Reaktion mehr erzeugen. Nur so trocknet man die Lügner und Selbstdarsteller aus.
Der Impuls, Falschbehauptungen sofort zu widersprechen oder sie öffentlich zu entlarven, ist verständlich – und oft sogar gut gemeint. Doch paradoxerweise verstärken solche Reaktionen häufig den ursprünglichen Schaden.
Ob ein Beitrag geliked, geteilt oder wütend kommentiert wird – jeder Klick ist ein Verstärker. Selbst kritische oder widerlegende Reaktionen sorgen dafür, dass die ursprüngliche Nachricht mehr Reichweite bekommt. Das gilt insbesondere für Plattformen wie X, die Interaktionen algorithmisch belohnen, ohne zwischen Zustimmung und Ablehnung zu unterscheiden. Wer also auf Falschinformationen reagiert, trägt ungewollt zu deren Verbreitung bei.
Handlungsempfehlungen: Der richtige Umgang mit Fake-News
Wer Desinformation bekämpfen will, muss sich aktiv gegen emotionale Kurzschlussreaktionen wehren. Diese fünf Maßnahmen helfen dabei:
- Nicht reagieren
Ignoriere Provokationen und offensichtliche Trollversuche. Kein Kommentar ist oft die wirkungsvollste Antwort. - Inhalte melden
Nutze die Melde- und Blockierfunktionen der Plattformen. Beiträge, die gegen Richtlinien verstoßen, sollten systematisch gemeldet werden. - Quellen hinterfragen
Teile keine Inhalte, deren Quelle Du nicht verifizieren kannst. Prüfe, ob seriöse Medien über das Thema berichten. - Aufklären – aber gezielt
Kläre in Deinem Umfeld über Desinformation auf, ohne die Fake News selbst zu wiederholen oder zu verbreiten. - Eigene Emotionen prüfen
Frage dich: Warum reagiere ich so stark auf diesen Beitrag? Wer profitiert davon, wenn ich ihn teile?
Raus aus X, ehemals Twitter
Seitdem der Milliardär Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen, in X umbenannt und nach seinem persönlichen Gusto umbenannt hat, hat sich die Social Media Plattform zur Brutstätte von Hassnachrichten und Fake News entwickelt. Musk hilft dabei kräftig mit, genau den Nachrichten Reichweite zu verschaffen, die ihm genehm sind. Gegenreden werden systematisch unterdrückt und in ihrer Reichweite beschränkt. Wer also auf X verbleibt, weil er eine Gegenmeinung vertreten möchte um den Trollen paroli zu bieten, muss einsehen, auf dieser Plattform auf verlorenem Posten zu stehen. Der Kampf dort ist verloren. Lasst die Hater dort in ihrer Bubble mit ihrem Müll alleine. Viel wichtiger ist es, sich in den Plattformen zu engagieren deren Reichweitengame noch ausgeglichen ist. Aber auch hier gilt: Keine Fake News replizieren, sondern eigene Inhalte schaffen!
Fazit: Wer ignoriert, entzieht den Trollen die Bühne
In Zeiten digitaler Reizüberflutung ist Ignoranz eine Form von Widerstand. Wer auf jede Provokation reagiert, spielt das Spiel der Trolle mit – und verstärkt deren Reichweite. Die „Flood the Zone“-Strategie funktioniert nur, wenn wir darauf anspringen.
Deshalb gilt: Don’t feed the trolls. Entziehen wir ihnen Aufmerksamkeit, indem wir nicht reagieren, sondern reflektieren. Indem wir Inhalte kritisch prüfen. Und indem wir mit ruhigem Kopf den Diskurs zurückerobern. Denn wer die Kontrolle über seine eigenen Reaktionen behält, behält auch die Kontrolle über die öffentliche Debatte.