Kampf um unsere Daten: Klickbetrug, Datenschutz und andere Schweinerein

Diese Woche steht ganz im Zeichen der großen und kleinen Schweinerein im Social Web – und immer steht dabei der Kampf um unsere Daten im Mittelpunkt. Da wäre zunächst einmal der Bilderdienst TwitPic: Millionen User nutzen diesen Dienst, um ihre Twitter-Meldungen mit Bildern anzureichern. Das Unternehmen möchte aus dieser Bilderflut Kapital schlagen und ist eine Partnerschaft mit der britischen Agentur „WENN“ eingegangen. Die sollen die von den Usern hochgeladenen Bilder nutzen und weiterverkaufen dürfen. So weit so legitim. Blöd nur, dass Otto-Normal-User davon gar nichts erfahren hat, wenn er nicht gerade penibel regelmäßig das Kleingedruckte auf Änderungen durchforstet. Wenn man schon mit anderer Leute Bilder Geld verdienen will, wie wärs mit einer ehrlichen E-Mail gewesen? „Hey XY, wir würden gerne Deine Bilder verticken, bist Du damit einverstanden?“ Aber nein, lieber durch die AGB-Bleiwüsten-Hintertür. Klar. Lesen die Nutzer auch jeden Tag aufs Neue. Blogger Christoph Kappes hat sich die neuen Bedingungen mal genauer angeschaut. Sein Fazit: TwitPic ist nicht so bösartig, wie weitläufig verbreitet.

Kommen wir von Twitpic zu Facebook. Die haben sich einen satten PR-Gau geleistet. Da engagieren die eine Agentur, damit diese mal flugs ein paar Blogger und Journalisten anstiftet, ein paar Schweinerein über Google zu verbreiten. Und welches Thema sucht sich Mark Zuckerberg da ausgerechnet aus? Festhalten: Datenschutz! Ich brech zusammen. Das ist ungefähr so, als würde Nestlé (Maggi) seinem Wettbewerber Unilever (Knorr) vorwerfen, ungesunde Tütensuppen zu produzieren. Dummerweise ist der Schmuh aufgeflogen, als sich ein angesprochener Blogger weigerte, bei der Schlammschlacht mitzumachen und den Mail-Verkehr der PR-Agentur veröffentlichte.

Von Facebook zu Youtube. Das ZDF Blog Hyperland berichtet vom Betrug mit den Klickraten, also quasi Zuschauerzahlen. So schreibt Markus Hündgen von einem Selbsttest mit einem extra dafür produzierten Kurzvideo und wie man eine pakistanische Firma für wenig Bakschisch beauftragte, den recht unspektakulären Film innerhalb kürzester Zeit mit ein paar tausend Klicks „berühmt“ zu machen. Und nicht nur Klicks lassen sich kaufen: Auf Wunsch manipulieren die Seeding-Agenturen auch Bewertungen oder posten vom Kunden vorgegebene Kommentare. Beim deutschen Anbieter sevenload wird sogar offen mit Klickraten im Zeitraum X geworben. „Viral Video Seeding“ nennt sich das im Social-Media-Neusprech. Meine Meinung? Damit betrügt man nicht nur die Außenwelt, sondern in erster Linie erstmal sich selbst. Möchte nicht wissen, wieviele Marketingleiter sich mit derart erstunkenen Zahlen beim Chef beliebt machen wollen. Von der rechtlichen Seite mal ganz abgesehen.

Und dann waren da noch die Funkhausgespräche auf WDR5. Thema diesmal „Facebook, Google, Staat & Co. – Wieviel Privatsphäre brauchen wir„. Als Gäste unter anderem die „Post-Privacy“ Verfechterin Julia Schramm (Datenschutzkritische Spackeria) von der Piraten-Partei und ihr inhaltliches Gegenstück, Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs und Datenschützerin. Zu Schramm: Sie träumt -vereinfacht gesagt- von der Utopie, bei der wir alle unsere Daten jedem offenlegen und damit in einer besseren Welt leben. O-Ton Schramm: „Wenn alle nackt sind, stört man sich nicht mehr an der Nackheit.“ Constanze Kurz sah das erwartungsgemäß etwas kritischer. „offengestanden finde ich eine solche Haltung bestenfalls naiv“. Es wäre allerdings unfair, die ganze Sendung jetzt auf diese zwei Sätze abzukürzen. So ganz zufrieden schien dann auch Schramm noch nicht mit ihrer Post-Privacy-Utopie „Es gibt Tage [….] an denen ich mir ganz furchtbar selber widerspreche“.

Ein Punkt hat mich jedoch zum Aufschreien gebracht: Da behauptete doch Michael Kretschmer, MdB der CDU: „Das Interessante ist, dass sich die Menschen über den Zensus oder die Mindestdatenspeicherung empören, aber nicht darüber, dass die Daten auf Facebook für Werbezwecke mißbraucht werden.“ Ja Moment, auf Facebook, Twitter & Co. entscheide schließlich immer noch ich selbst, was ich von mir veröffentliche. Das werden aber bestimmt keine intimen Informationen sein, sondern Dinge, mit denen ich in der Öffentlichkeit durchaus gut leben kann oder von denen ich will, dass die Öffentlichkeit sie erfährt. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die der Welt im Minutentakt mitteilen müssen, dass sie sich gerade den Eingang einer großen Kaffee-Kette betreten haben. Die Volkszählung (Zensus) oder Vorratsdatenspeicherung (Mindestdatenspeicherung) geht da viel weiter. Und dem kann ich mich nicht entziehen.

Das ist der Unterschied.

Nachtrag:

Spiegel Autor Frank Patalong zerpflückt die Spackeria-Utopie in „Hilf dir selbst und halte dicht“ und kritisiert: „Post Privacy ist eine Haltung, die nur aus der vermeintlichen Sicherheit des Lebens in einem wohlhabenden Rechtsstaat erwachsen kann. Dass man etwa über einen Web-Dienst verfolgen kann, wo man gerade mit wem unterwegs ist, mag man hier cool finden. Chinesische, iranische, ägyptische, libysche, auch russische, saudi-arabische oder nordkoreanische Oppositionelle, Journalisten oder Blogger mögen da durchaus anders denken.“

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