50 Jahre Mondlandung: Infoabend mit Dr. Insa Thiele-Eich und Prof. Dr. Harald Lesch

Freitagabend, 28. Juni. Ich stehe im – leider ziemlich verranzten –Hörsaalzentrum Ost (HZO) der Ruhr-Universität Bochum. Die Türen zum Hörsaal sind noch geschlossen. Der Vorraum ist gefüllt mit dutzenden Mondbegeistertern, die sich auf Einladung des ESERO (European Space Education Resource Office) hier eingefunden haben. Gleich soll er losgehen, der Informationsabend Abend anlässlich 50 Jahre Mondlandung.

Die Luft ist stickig und heiß.  50 Jahre sind seit der ersten Mondlandung vergangen und trotzdem gibt es offenbar noch genügend Menschen, die sich für das Thema interessieren. Oder gibt es sie wieder? Hinter mir höre ich zwei Männer tuscheln: „Das ist ja hier so ein bisschen wie bei..  wie heißt diese Serie noch gleich?“
Der andere zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung“, sagt er.
Ich drehe mich um: „Big Bang Theory.“
„Genau! Diese Sendung mit den Nerds.“
Zugegeben, so ein kleines bisschen hat er ja recht.

Gespannt warten wir alle hier auf den Aufritt von Prof. Dr. Harald Lesch, Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist sowie Dr. Insa Thiele-Eich, Astronautin und Meteorologin. Gleich wollen Sie uns etwas über die Mondlandung, die Apollo 11 Mission, das Universum und das Leben im Alltag einer Astronautin erzählen. Alle hier sind gespannt. Einige haben Bücher dabei, die sie gleich noch signieren lassen wollen. Andere sind mit ihren Kindern oder gleich der ganzen Familie gekommen.

Dann, die Luft im Vorraum wird nun langsam unerträglich, gehen endlich die Türen zum Hörsaal auf. Eintreten.

50 Jahre Mondlandung: Hörsaal der RUB Bochum

50 Jahre Mondlandung: Der Hörsaal im Hörsaalzentrum Ost der Ruhr-Universität Bochum wirkt mindestens ebenso alt. Foto: Dennis Knake

Der größe Hörsaal mit den grünen unbequemen Sitzplätzen und Klapptischen aus Holz scheint wie aus der Zeit gefallen. Aber irgendwie passt es wieder. Wir sind ja schließlich auch hier, um 50 Jahre Mondlandung zu feiern, um den 21. Juli 1969 zu gedenken. Der Tag, an dem Menschen – namentlich der US-Amerikaner Neil Armstrong und sein Raumfahrt-Kollege Buzz Aldrin – zum ersten Mal den Mond betraten. Der dritte im Bunde der Apollo 11 Mission, Michael Collins, verblieb im Orbiter über der Mondoberfläche.

Was ist ESERO Germany?

Das European Speace Education Resource Office, kurz ESERO ist ein gemeinsames Projekt der europäischen Raumfahrtbehörde ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR. Ziel der Organisation ist es, Schüler und Schülerinnen für so genannte MINT-Themen zu begeistern. Also Themen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Das ESERO-Büro hat seinen Sitz in in der Ruhr-Universität Bochum. Dazu gehört ein Konsortium aus zehn Institutionen aus Nordrhein-Westfalen, darunter auch die Sternwarte und das Planetarium Bochum. Auf seiner Homepage stellt ESERO Unterrichtsmaterialien für Schulen zur Verfügung, deren interaktive Lerneinheiten sich an die Schulkurrikula der Länder orientieren und somit die Integration des Themas Weltall in den Unterricht ermöglichen. Etwas, das ich mir zu meiner Schulzeit sehr gewünscht hätte. Darüber hinaus bietet die Organisation Lehrerfortbildungen und auch Aktionstage für Kitas sowie die Klassenstufen 1-4 an. Aktionen und Wettbewerbe runden das Angebot ab. Wie es sich gehört, verfügt ESERO auch über eine eigene Facebook-Seite auf der aktuelle Themen und Aktionen behandelt werden.

Saturn V: Die bis heute stärkste Rakete der Welt

Prof. Dr. Harald Lesch führte seinen Vortrag zu 50 Jahre Mondlandung mit der Trägerrakete Saturn V ein. Die bis heute stärkste Trägerrakete der Welt ist bis heute auch die einzige Rakete, die Menschen über den nahen Erdorbit hinaus zu einem anderen Himmelskörper transportiert hat. Die Saturn V verfügte über 3 Stufen auf einer Höhe von 111 Metern. Die Startmasse betrug satte 2,900 Tonnen, der Schub über 33.700 kN (kilo Newton).

Wenn irgend jemand aus dem Silicon Valley glaubt, mit einem Aufwand von einer Würstchenbude Weltraumfahrt machen zu können, dann sollten wir uns nicht veräppeln lassen.

Heutige Raketen können da nicht mehr mithalten. Die aktuelle Ariane 5ME, das Schwerlastschiff der ESA, bringt es gerade mal auf knapp 800 Tonnen Startmasse und 11.800 kN Schub. Auch die gut doppelt so starke Falcon Heavy, die Rakete des privaten Raumfahrtunternehmen SpaceX von Tesla Chef Elon Musk, kommt mit einer Startmasse von 1.400 Tonnen und rund 23.000 kN Schub nicht an die Saturn V aus dem Jahr 1969 heran.

Einen kleinen Seithieb konnte sich Harald Lesch dann auch nicht verkneifen: „Wenn irgend jemand aus dem Silicon Valley glaubt, mit einem Aufwand von einer Würstchenbude Weltraumfahrt machen zu können, dann sollten wir uns nicht veräppeln lassen. Diese Raketen, die die bauen sind wunderschön, die kommen auch wieder zurück. Aber sie sind zu klein und sie sind nicht das, was wir brauchen, um zu einem anderen Himmelskörper zu kommen.“

Prof. Dr. Harald Lesch referiert zum Thema 50 Jahre Mondlandung

Im abgedunkelten Hörsaal nebst leuchtendem Mini-Mond hat Prof. Dr. Harald Lesch für Verschwörungstheoretiker nicht viel übrig: Die Sowjets hätten sofort gemerkt, wären die Funksignale nicht vom Mond gekommen. Foto: Dennis Knake

Alles nur ein Hoax? Die Mondlandung Verschwörung

Auch für Verschwörungstheoretiker hatte Prof. Dr. Lesch gleich eine Kelle parat. Während sich die Anhänger der Verschwörungstheorie der Mondlandung mittlerweile die kompliziertesten Berechnungen zurecht biegen um zu beweisen, dass es die Mondlandung nie gegeben habe, hebelt Lesch den gesamten Irrsinn mit einem ganz einfach Argument aus: Die USA und die Sowjetunion waren erbitterte Konkurrenten und befanden sich 30 Jahre lang in einem Wettrennen um den Flug zum Mond. Hätten die Amerikaner die Mondlandung in einem Fernsehstudio inszeniert und ausgestrahlt, hätten die Sowjets auf jeden Fall bemerken müssen, dass keine Funksignale vom Mond empfangen worden sind. So etwas lässt sich nämlich sehr leicht, etwa duch Triangulation feststellen. Statt dessen gratulierte der Klassenfeind den Amerikanern jedoch kurz nach der Landung. Hätten sie das freiwillig getan, wenn an der Sache irgend etwas faul gewesen wäre? Ganz gewiss nicht.

Fragen zum Universum, dem Leben und dem ganzen Rest

Die deutsche Astronautin und Meteorologin Dr. Insa Thiele-Eich stand den vielen überwiegend jungen Zuschauerinnen und Zuschauern mit zahlreichen Fragen rund um das Leben als angehende Astronautin zur Verfügung. Zusammen mit der Bundeswehr-Pilotin Nicola Baumann wurde Thiele-Eich 2017 in der privat finanzierten Initiative Die Astronautin, die erstmals eine Deutsche zur Astronautin machen möchte, aus mehr als 400 Bewerberinnen als eine von zwei Finalistinnen ausgewählt. Baumann zog sich Ende 2017 aus dem Projekt wieder zurück. Nachgerückt ist die Kölnerin Dr. Suzanna Randall. Sie oder eben Randall soll 2020 als erste deutsche Astronautin zur Internationalen Raumstation ISS ins All fliegen. Es wäre die erste deutsche Astronautin, die nicht über die ESA nominiert wurde.

Dr. Insa Thiele-Eich stellte sich den Fragen aus dem Publikum

Dr. Insa Thiele-Eich stellte sich geduldig allen Fragen aus dem Publikum. Foto: Dennis Knake

Es folgen einige Fragen und Antworten des Abends:

Wie fühlt sich Schwerkraft an?

Aus ihren Erfahrungen von diversen Parabel-Flügen verglich Insa Thiele-Eich das Gefühl der Schwerelosigkeit mit dem Gefühl, dass einen manchnal beim Einschlafen überkommt, wenn sich die Muskeln entspannen. Dann kann einem für einen Bruchteil einer Sekunde das das Gefühl überkommen, zu fallen und man zuckt im Bett zusammen. So sei das Gefühl der Schwerelosigkeit einzuordnen, nur dass es im All dann länger andauere. So ist es in der Schwerelosigkeit eben auch nicht mehr möglich, sich selbst in eine Richtung zu bewegen. Dafür muss man sich von irgendwo abstoßen.

Kann man mit Brille Astronaut werden?

Insa Thiele-Eich trägt Brille. Und so lag die Frage aus dem Publikum nahe, wie sie denn mit Brille überhaupt Astronautin werden konnte. Und in der Tat, die Voraussetzungen haben sich geändert. Wer beispielsweise nur unter einer leichten Kurzsichtigkeit leidet, kann damit durchaus Astronaut oder Astronautin werden. „In meinem Fall wurden die Augen fünf Stunden lang untersucht“, sagt Thiele-Eich. Völlig unproblematisch sei dabei eine leichte Kurzsichtigkeit, wie sie sie eben habe. In der Schwerelosigkeit verändern sich die Augen so, dass man zu einer leichten Weitsichtigkeit neigt. Wer dann leicht kurzsichtig ist, braucht auf der Raumstation ISS unter Umständen dann gar keine Brille mehr. „Worauf es viel mehr ankommt“, fährt sie fort, „ist die Beschaffung des Augapfels im Inneren. Es geht da vor allem um den Druck, der sich auch auf den Sehnerv auswirkt.“ Bei rund einem drittel der männlichen Astronauten verringere sich die Sehkraft dadurch um bis zu sechs Prozent. Bei Frauen habe man das bislang noch nicht feststellen können, aber gerade bei Männern würde besonders hier auf den Augeninnendruck geachtet.

Warum kommen Astronauten vor dem Start in Quarantäne?

Es ist ganz wichtig, Gesund ins All zu fliegen. „Man merkt schon beim Tauchtraining, wie wichtig das ist“, berichtet die Astronautin. Wenn man erkältet ist, dann funktioniere beispielswiese schon der Druckausgleich nicht mehr, den man unter Wasser ausführen können muss. Zwei bis drei Wochen Quarantäne seien daher vor einem Raumflug angesagt. „Ganz viel Netflix“, kommentiert Thiele-Eich mit einem Lachen.

Fliegen Menschen bald wieder zum Mond oder weiter?

Keine Geschichte über Raumfahrt, ohne die Frage nach der Finanzierung. Und so erzählt auch Insa Thiele-Eich, dass die staatlichen Budgets immer strengen Kontrollen unterlägen und gerade in Deutschland das Geld wenn, dann eher für Erdbeobachtungen ausgegeben werden. Allerdings habe die Mission von Alexander Gerst als erster deutscher Kommandant der Internationalen Raumstation auch in Deutschland das öffentliche Interesse für dieses Thema wieder geweckt. In Zukunft werden es aber verstärkt ein Mix aus staatlichen und privaten Initiativen sein, die die Raumfahrt voran treiben könnten. Auch sie selbst sei schließlich über eine private Organisation zur Raumfahrt gekommen. Diese sei zwar viel kleiner als die ESA, habe aber eben auch einige Vorteile gegenüber den großen Organisationen. So gelte es, die Vorteile aus diesen so genannten Public-Private-Partnerships,also der Kooperation von staatlichen und privat finanzierten Organisationen zu entdecken. Große Missionen seien heute allerdings besser in Kooperationen, auch zwischen den einzelnen Raumfahrernationen zu bewältigen.

Was war vor dem Urknall?

Das war eine Frage für den Astrophysiker Lesch: Diese Frage kann man wissenschaftlich nicht vollständig beantworten. „In der empirischen Wissenschaft muss man Erfahrungen machen können. Das heißt, wir müssen Messungen machen“, erklärt Lesch. Und um eine Messung zu machen „muss man zwischen Ursache und Wirkung eindeutig unterscheiden können. Und dieser Unterschied beginnt bei einer Zeit von 5*10-45 Sekunden. Der beginnt nicht bei Null. Bei Null kann man zwischen Ursache und Wirkung nicht unterscheiden, da kann man also keine Messungen vornehmen. Mit anderen Worten: Ich kann die kleinste, physikalisch sinnvolle Zeitskala definieren. Was davor gewesen ist, entzieht sich völlig meiner Kenntnis. Ich kann die Frage stellen, aber ich kann sie nicht beantworten.

Der Mensch und der Klimawandel

Viele weitere Fragen aus dem Publikum drehten sich zudem um das Thema Klimawandel und was jede Einzelne tun könne, um die Beeinflussung des Klimawandels durch den Menschen zu reduzieren, ja überhaupt noch mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Prof. Dr. Lesch und auch Insa Thiele-Eich appellierten hier unter anderem weiterhin Druck auf die Politik auszuüben. Ein jeder einzelne könne sich engagieren und auch seine lokalen Volksvertreter immer wieder mit dem Thema konfrontieren. Natürlich gelte es auch, dass eigene Tun und Handeln überdenken. Doch das sei im Alltag zugegebenermaßen nicht immer leicht. Wenn beispielsweise eine Zugfahrt hunderte Euro teurer sei als ein Flug, dann müsse hier die Politik handeln. Doch die sei leider immer noch zu sehr damit beschäftig, sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. „Hier müssen wir leider wohl einfach noch viel mehr auf die Straße“, resümierte Insa Thiele-Eich.

Menschen wieder mehr für MINT Themen begeistern

Spätestens seit Alexander Gerst der deutschen Bevölkerung das Thema Raumfahrt wieder näher gebracht hat, ist eine Einrichtung wie ESERO dringend notwendig um dieses wohl elementarste Thema des Menschen, die Suche nach seiner Rolle im Universum, nach seinen Ursprüngen, wieder auf die Agenda zu setzen. Nur wer sich den Überblick über das große Ganze machen kann, wird die Fragen auf die vielen kleinen Details unsere Lebens besser beantworten können.  Nicht umsonst sagt man, dass ein Astronaut, wenn er zum ersten Mal den Planeten aus großer Distanz betrachtet, die Welt für immer mit ganz anderen Augen sieht. Und umso wichtiger ist es, dieses Thema in die Schulen zu tragen und junge Menschen wieder für das zu Begeistern, was um sie herum passiert.

50 Jahre ist es her, dass die Menschen erstmals den Mond betreten haben. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten viel verlernt. Der Zustand des Hörsaals der RUB steht symptomatisch für den Zustand unseres Bildungssystems. Zeit, diesen Stillstand zu beenden. 

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